Archäologie Diagonal ist ein 2011 gegründetes Netzwerk archäologischer Wissenschaften am Centrum für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeeraums (GKM), welches im gegenseitigen Austausch an der Rekonstruktion vergangener Lebenswelten von Nordeuropa bis in die Sahara, von der iberischen Halbinsel bis Südasien in einem Zeitraum von der Sesshaftwerdung des Menschen bis ins Mittelalter arbeitet. Die Universität Münster bietet dafür einen idealen Standort: Hier sind nahezu alle archäologischen Fachrichtungen vertreten und in nationale wie internationale Forschungsnetzwerke eingebunden. Dem Netzwerk gehören inzwischen über 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen archäologischen Disziplinen an.
Die nächste AD-Sitzung findet am 20. Oktober 2025 um 18.15 Uhr im RS 2 (Hofhörsaal) statt.
Wir berichten regelmäßig von unseren archäologischen Feldforschungsprojekten in der Türkei, in Griechenland, Israel, Jordanien, Armenien, im Irak und Sudan. Derzeit (Juli bis September 2025) ist ein Team in Doliche (Türkei). Abgeschlossen sind die diesjährigen Kampagnen im Irak (Februar bis April 2025) und Jordanien (März bis Mai2025). Die Kampagne in Armenien startet im September 2025.
Die aktuellen Berichte werden wir ab Ende September hier einstellen.
Lohn für Söldner: Phönizische Tetradrachme mit Herkales
Obwohl Phönizier und griechische Stadtstaaten immer wieder Krieg gegeneinander führten, wurde der griechische Halbgott Herakles zu einem üblichen Motiv phönizischer Münzen. Denn der Sohn von Göttervater Zeus wurde mit Melqart, der obersten Gottheit einiger phönikischer Kolonien, aufgrund einiger ähnlichen Eigenschaften gleichgesetzt.
Die Münze des Monats August, eine Tetradrachme aus der Zeit um 300 vor Christus, zeigt den jugendlichen Herakles mit Löwenskalp, auf der Rückseite einen Pferdekopf vor einer Dattelpalme, ein typisches Motiv aus Karthago. Die punische Stadt führte zu jener Zeit Krieg gegen Syrakus, der mächtigsten Stadt auf Sizilien. Dass die phönizischen Münzen, die zur Bezahlung von Söldner dienten, auf der Insel gepägt wurden, zeigen die beiden seitlichen Sporne, die charakteristisch für sizilische Münzen sind.
Was heute eine karge, fast menschenleere Landschaft ist, war einst ein bedeutender Siedlungsraum: Seit 2022 untersucht das Team um Apl. Prof. Dirk Paul Mielke (Universität Münster) und Doç. Dr. Belgin Aksoy (Universität Bursa) das Becken von Kangal in der türkischen Provinz Sivas. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass in der kaum erforschten Region während der Eisenzeit (ca. 1180‒330 v. Chr.) eine bedeutende Kulturlandschaft existierte, die zur historischen Landschaft von Tabal gehörte. Dank einer weiteren zweijährigen Förderung durch die Fritz Thyssen Stiftung kann eine intensive und systematische Auswertung hochauflösender Fernerkundungsdaten erfolgen, um diese bedeutende Siedlungslandschaft wiederzuentdecken. Die Bewilligung des interdisziplinären Forschungsvorhabens umfasst auch eine Stelle für eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, die mit Christine Kersting M.A. besetzt werden konnte. Das Projekt erfolgt in Kooperation mit dem Labor für Photogrammetrie der Berliner Hochschule für Technik unter der Leitung von Prof. Michael Breuer und ist an der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie am Historischen Seminar der Universität Münster angesiedelt.
Dr. Kalliopi Chatzinikolaou (Archäologisches Museum Thessaloniki) hat dem Archäologischen Museum der Universität Münster ein antikes Weihrelief als Langfristleihgabe übergeben. Das über 2000 Jahre alte Relief zeigt zwei Ohren, darunter die griechische Inschrift Κατ' εύχήν Φουφικία ''Ίσιδι άκοήν ("In Erfüllung ihres Gelübdes weiht dies Fuficia der Isis, die sie erhört hat").
Museumsdirektor Prof. Dr. Achim Lichtenberger betont die Bedeutung des Neuzugangs: „Das spannende Artefakt ist eine hervorragende Ergänzung unserer Sammlung und passt besonders zu der in Münster starken Religionsforschung“.
Im Archäologischen Museum der Universität Münster können mit Hilfe eines 3D-Scanners virtuelle Kopien von Originalen erstellt werden. Ein Image-Film der Universität Münster gibt Einblicke.
Seit 1997 erforschen Altertumswissenschaftler der Forschungsstelle Asia Minor im Seminar für Alte Geschichte der Universität Münster die antike Stadt Doliche. Die archäologischen Hinterlassenschaften des Ortes im Südosten der Türkei erzählen zahlreiche bislang unbekannte Geschichten über die historische, religiöse und kulturelle Entwicklung zwischen Taurusgebirge und nordsyrischer Hochebene vom frühen 1. Jahrtausend vor Christus bis in die Kreuzfahrerzeit hinein.
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Im Februar 2023 erschütterten schwere Erdbeben die Türkei und Syrien. Das Epizentrum lag nur wenige Kilometer vom Grabungsgebiet der antiken Stadt Doliche entfernt, wo die Forschungsstelle Asia Minor der Universität Münster seit Jahrzehnten forscht.
Unmittelbar nach der Katastrophe stellte die Universität Münster dringend benötigte Hilfsgüter wie Decken bereit. Anschließend unterstützten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekt „Cultural Heritage in Danger“ die lokalen Behörden dabei, den Zustand der Kulturdenkmäler in der Provinz Adıyaman zu dokumentieren und so einen Beitrag zum Schutz des bedrohten Kulturerbes zu leisten.
Der Archäologe Achim Lichtenberger hat Bedingungen für Resilienz von Städten untersucht unnd zeigt, wie hilfreich dafür ein Blick in die Geschichte ist. Ein internationales Forschungsteam unter Federführung der Universitäten Aarhus und Münster untersucht seit 2011 die antike Stadt Gerasa (Jordanien). Die Archäologen gehen dabei auch der Frage nach: Weshalb bedeutete das Erdbeben 749 n. Chr. das Ende der Stadt Gerasa, die lange Zeit resilient gewesen war?
Forschung
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Umweltbelastung schon in der Antike: Funde aus Gerasa belegen Schwermetalle im Boden
Umweltverschmutzung ist aktuellen Forschungen zu Folge kein Phänomen der Moderne. Schon in der Antike litten Menschen beispielsweise unter Bleivergiftungen. Die Römer nutzten das Schwermetall in großem Stil als Material für Wasserrohre und mitunter sogar zum Süßen von Wein. Archäologen und Geologen der Universitäten Münster, Aarhus, St. Andrews und Stirling haben nun entdeckt, dass sich im Umfeld mittelgroßer antiker Städte über Jahrhunderte hinweg bereits viele kleine Mengen des Schadstoffs im Boden angesammelt haben. Zwar geschah die Umweltzerstörung noch nicht im gleichen globalen Maßstab wie heute, verseuchter Boden und belastetes Trinkwasser machten jedoch auch schon damals krank.
Seit 2011 forscht ein deutsch-dänisches Team des „Jerash Northwest Quarter Project“ unter der Leitung von Achim Lichtenberger aus Münster und Prof. Dr. Rubina Raja aus Aarhus in der antiken Stadt Gerasa auf dem Gebiet des heutigen Jordanien. Immer wieder wunderten sich die Forscher über die Belastung des Bodens mit Schwermetallen, denn Bleirohre wurden in Gerasa nur sehr selten entdeckt, ebenso wenig gab es dort Metallindustrie oder Bergbau. Neu bei der archäologischen Erforschung ist, dass handwerkliche und alltägliche Aktivitäten in den Blick genommen wurden, also kleinste Verursacher. Prof. Dr. Achim Lichtenberger vom Institut für Klassische Archäologie bringt es auf einen Nenner: "Das Prinzip Kleinvieh macht auch Mist, galt schon damals." Eine Studie zeigt nun, dass alltägliche Aktivitäten wie die Herstellung und Nutzung von Metallgegenständen für die hohen Schwermetall-Belastungen verantwortlich waren. Nicht einzelne Großproduzenten haben diese Umweltverschmutzung verursacht, sondern zahlreiche Kleinaktivitäten, die auf eine hohe Bevölkerungsdichte und Urbanisierung zurückzuführen sind.
„Die Kontaminationspfade spiegeln eine langfristige menschengemachte Umweltverschmutzung auf lokaler und regionaler Ebene seit der Römerzeit wider“, unterstreichen die Autoren der Studie, die im Juni in der internationalen Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science „PLOS ONE“ veröffentlich wurde. Sie fordern, dass die alltägliche städtische Nutzung und Wiederverwendung von Schwermetallquellen künftig bei historischen Untersuchungen mitberücksichtigt werden.
Photogrammetrische 3D-Dokumentation von Nassholzfunden aus Oymaağaç Höyük / Nerik
Bei den Ausgrabungen auf dem Oymaağaç Höyük wurde in einer unterirdischen Quellkammer eine große Menge außergewöhnlich gut erhaltener Nasshölzer entdeckt. Die wissenschaftliche Dokumentation dieser einmaligen Funde stellte eine große Herausforderung dar. Für die dreidimensionale Aufnahme wurde das Verfahren der Automatischen Mehrbildphotogrammetrie (Structure from Motion) angewandt. Durch die hohen Qualitätsanforderungen sowie die fotografischen und konservatorischen Probleme der Nasshölzer gestaltete sich die Dokumentation komplex und aufwendig. Dadurch haben die angewandten Lösungen exemplarischen Charakter für die Dokumentation von Nassholzfunden bzw. vergleichbaren archäologischen Objekten.
Ein Artikel, der unter Beteiligung des Archäologie Diagonal-Mitgliedes Prof. Dirk Paul Mielke (Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie) erstellt wurde, ist über das open access-Portal der Universitätsbibliothek Heidelberg zugänglich: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/restarch/article/view/75392
Die genaue Herkunft von hochwertigem transparenten Glas aus der römischen Kaiserzeit (3. Jahrhundert nach Christus) – zum Beispiel für Gefäße und Fenster- glas – war lange Zeit nicht nachweisbar. Historische Quellen legten wegen der in Quellen gefundenen Bezeichnung "alexandrinisch" den Ursprung in Ägypten nahe, doch ließ sich das bislang nicht nachweisen. Hingegen deutete vieles auf Palästina als Zentrum der spätantiken Glasproduktion hin. Dort wurden bei Grabungen viele Öfen freigelegt. Das Rätsel um das farblose römische Glas ist nun gelöst: "alexandrinisch" steht tatsächlich für die Produktion in der Nähe des Nils in Ägypten. Das geht aus einer internationalen Studie mit einer neuen geochemischen Isotopen-Analyse hervor. Daran beteiligt ist auch der Münsteraner Archäologe Prof. Achim Lichtenberger. Ausgangpunkt der Arbeit waren Glasfunde aus dem dänisch-deutschen "Jerash Northwest Quarter Project". Veröffentlichung: Barfod, G.H., Freestone, I., Lesher, C.E., Lichtenberger, A. & Raja, R. 'Alexandrian' (2020): Glass Confirmed by Hafnium Isotopes. Scientific Reports; https://doi.org/10.1038/s41598-020-68089-w
Online-Publikation des Netzwerks "Archäologie Diagonal"